Handwerker auf der Walz


Über den Besuch von Carolin, Stuckateurin und Lea, Tischlerin haben wir uns sehr gefreut. Auch im neuen Rathaus haben uns die beiden traditionellen Reisenden auf dem Weg in den Norden gefunden und vorgesprochen, um das Siegel für ihr Wanderbuch zu erhalten.

Wir wünschen den Beiden einen gute Zeit und viele gute Erfahrungen auf ihrem Weg.




Bericht vom 07.November 2023:


Resa, die fremde freireisende Tischlergesellin aus Leipzig und Philipp, der fremde freireisende Brauer und Mälzer aus Hamburg haben heute bei uns im Rathaus vorgesprochen und in althergebrachter Weise um das Siegel für Ihr Wanderbuch gebeten. Resa ist seit rund zwei Jahren und Philipp inzwischen schon seit 4 1/2 Jahren auf der Walz. Wir wünschen den Beiden weiterhin einen guten, glücklichen Weg.

Selten begegnen uns heute noch die Gesellen und Gesellinnen auf Wanderschaft im Alltag. Jedoch gehört dieser Brauch seit 2014 zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland und im Jahr 2015 folgte die UNSECO diesem Schritt.

Überliefert ist, dass junge Handwerker seit dem 12. Jahrhundert durch das Land ziehen um andere Regionen, kulturelle Unterschiede kennenzulernen und Lebenserfahrung zu erwerben. Aber vor allem, um neue Fertigkeiten in ihrem Fach dazuzulernen. Die Walz wird seit jeher von alten Ritualen und Traditionen bestimmt und die wenigsten davon wurden der modernen Zeit angepasst.

Generell müssen Wandergesellen unter 30 Jahre alt sein. Ledig, kinderlos und schuldenfrei sind weitere Voraussetzungen. Außerdem muss die Gesellenprüfung bestanden worden sein.

Die Gesellen dürfen auch nicht mit einem eigenen Fahrzeug unterwegs sein. Stattdessen können die Handwerker zum Beispiel per Anhalter reisen.

Während der Walz gibt es einen Bannkreis um den Heimatort (meistens 50 Kilometer), den der Handwerker nicht betreten darf. Das gilt auch für Geburtstage oder Weihnachten. Lediglich in extremen Notlagen, zum Beispiel im Todesfall eines Angehörigen, dürfen die Gesellen nach Hause. Auch Handy oder Laptop sind nicht erlaubt.

Auf der Walz ist das Vorsprechen beim Bürgermeister einer Gemeinde ein wichtiger Bestandteil. Ohne dieses darf ein Wandergeselle einen Ort, in dem er Arbeit sucht, der Tradition nach nicht betreten. Die Inhalte dieser Gespräche sind übrigens ein streng gehütetes Geheimnis.

Der Hut ist ein Zeichen für die Freiheit des Wandergesellen.

Am linken Ohr tragen viele Wandergesellen einen Ohrring mit dem entsprechenden Handwerkswappen. Dieser war früher aus Gold. So konnte im Todesfall die Beerdigung finanziert werden.

Wandergesellen haben oft einen Charlottenburger. Dabei handelt es sich um ein 80 mal 80 Zentimeter großes Tuch, das zusammengerollt wird und in dem verschiedene persönliche Dinge, zum Beispiel Wechselwäsche, transportiert werden. Zu den weiteren Reiseutensilien zählt der Stenz – der Wanderstab, den viele tragen.

Zudem haben Wandergesellen ein Wanderbuch, in dem zum Beispiel Siegel der besuchten Städte eingetragen werden. Es handelt sich heutzutage um eine Art Reisetagebuch. Früher konnten sich die Wandernden damit auch bei Behörden ausweisen.

Es gibt noch weitere Regeln die auch abhängig von den jeweiligen Zünfte oder Schächte sein können.

Vieles mag altmodisch klingen, aber mit den altertümlichen Regeln und der Entschleunigung der Walz, kommt für viele junge Leute auch die Rückbesinnung auf Werte, die längst verloren schienen: Ehrlichkeit, Fleiß, Anstand und Stolz. Handwerker sind nach wie vor ausschlaggebend für die deutsche Wirtschaft und wo auch immer ein Haus gebaut wird, findet sich mit Sicherheit der ein oder andere „Fremde” wieder, der nicht nur an einem Haus arbeitet, sondern vielmehr für die Zukunft unseres Landes.